Es ist vollbracht: Die rundum sanierte Gloger-Orgel erklingt wieder. Gewaltig, raumfüllend und zur Ehre Gottes. Bei einem besonders festlichen Gottesdienst in St. Severi können alle Kirchenbesucher feststellen: Das Warten während der Sanierungsjahre hat sich gelohnt.
Kreiskantor Kai Rudl hat schon vor dem offiziellen Beginn an diesem großen Tag seinen Stammplatz eingenommen - zwischen Tasten und Pedalen, umringt von 2527 Orgelpfeifen, eine schöner glänzend als die andere. Alle auf dem neuesten Stand. Wie die 46 raumgreifenden Register, die auf der bis zuletzt wiederhergestellten Empore nur erahnen lassen, was Meisterhände mit ihnen machen können.
Konzentriertes Blättern durchs Notenwerk
Ob er denn aufgeregt sei angesichts des bevorstehenden Moments der Wiedereinweihung? "Ich bin konzentriert", sagt Rudl kurz, blättert durchs Notenwerk, rechts und links assistiert von Pierre Elak, Organist aus Hamburg, und Kollegin Sonja Schumacher aus der Wingst. Sie werden für den Kreiskantor die Noten umblättern. Denn mit der Choralbegleitung "Komm Heiliger Geist, Herre Gott" von Dietrich Buxtehude hat sich der Kreiskantor fürs erste offiziell erklingende Werk nach der Sanierungspause kein leichtes ausgesucht. Aber Kai Rudl ist ein Könner, immer wieder entlockt er dem barocken Instrument während des gut zweieinhalbstündigen Gottesdienstes wunderbaren Wohlklang.
Kirchenbesucher sind gespannt, dankbar und begeistert
Sämtliche Kirchenbänke sind gefüllt an diesem Morgen. Viele Menschen - auch Freunde und Förderer der Orgel aus ganz Deutschland - sind gekommen, um zu sehen und zu hören, wie sich das von Dietrich-Christoph Gloger im Jahr 1742 erbaute Gesamtkunstwerk präsentiert. Sie sind gespannt und dankbar. Und vor allem begeistert. Allen voran Pastor Thorsten Niehus, der sich - wie viele andere auch - für den jahrzehntelangen Einsatz ums besondere Kircheninstrument bedankt.
"Es ist für mich wie ein Wunder Gottes..."
"Bei allem großartigen Engagement vieler Menschen: Es ist für mich wie ein Wunder Gottes, dass wir heute die Wiedereinweihung der Gloger-Orgel feiern können", sagt er, unter anderem in Anwesenheit von Regionalbischof Dr. Hans Christian Brandy, Superintendentin Kerstin Tiemann, Orgelbauer Hendrik Ahrend aus Leer sowie Professor Martin Böcker, Orgelsachverständiger der Landeskirche Hannover, zuständig für alle Orgeln entlang der Elbe von Buxtehude bis Cuxhaven.
Schwierige Zeiten beim Orgelbau und während der Sanierung
Pastor Niehus wirft einen Blick in die Entstehungsgeschichte der Orgel, berichtet von schweren Jahren. Damals, in der Zeit zwischen dem Otterndorfer Orgelstreit und der Einweihung der Gloger-Orgel, seien es Pest, Stadtbrand und Weihnachtsflut gewesen, die das Leben der Hadler Bevölkerung durcheinandergewirbelt und die Entstehung der neuen Orgel erschwert hätten", sagt er. "In den Jahren der Restaurierung und der dazugehörigen Kirchensanierung haben es Corona, Inflation, Bürokratie und Fachkräftemangel bis zum Schluss spannend gemacht, ob und wann wir die Gloger-Orgel wieder in der St. Severi-Kirche hören werden."
"Ein Erbe biblisch begründeten Glaubens"
Anfangs noch kritisch beäugt ob der immensen Sanierungskosten in Höhe von 1,8 Millionen Euro, sei aus der Kirchenorgel im öffentlichen Gespräch die Gloger-Orgel und dann "Unsere Gloger-Orgel" geworden, freut sich der Gottesmann. Stolz stellt er fest, dass Otterndorf nicht nur die Geburtsstätte lutherischer Orgelkultur sei, sondern mit der Gloger-Orgel - der größten Barock-Orgel zwischen Elbe und Weser - auch ein Erbe biblisch begründeten Glaubens vorhanden sei, das es in glaubensschwacher Zeit zu pflegen gelte.
Geheimnis des Erfolgs: Alle haben an einem Strang gezogen
Regionalbischof Dr. Brandy weiht das Wunderwerk wieder ein, lässt die Geschichte der umfassenden Restaurierung von den Anfängen in den 2000er Jahren bis heute Revue passieren. Das Geheimnis des Erfolgs ist für den führenden Kirchenmann aus Stade die Tatsache, dass alle an einem Strang gezogen haben - und das mit großer Energie: der Kirchenvorstand, der Verein zum Erhalt der Gloger-Orgel, die Sachverständigen, der Orgelbauer, die Handwerker und Restauratoren, das Bauamt, die Landeskirche, die Kommune. Und vor allem ungezählte Unterstützer und Spender.
"Eine gewisse heilige Unvernünftigkeit gehört zu solchen Projekten dazu"
"Natürlich kann man sich fragen, ob 1,8 Millionen Euro für ein Orgelprojekt in die Zeit passen", sagt Brandy. Die Frage sei nicht unberechtigt, nicht zuletzt auch mit Blick auf die menschliche Energie und Arbeitszeit, die in das Projekt geflossen seien. "Wenn man aber so denkt, dann wären ungezählte Kunstwerke, Kirchen und Orgeln nicht gebaut worden", argumentiert Brandy. Denn Geld sei immer knapp gewesen. "Aber dann wäre unsere Welt sehr viel ärmer", unterstreicht der Regionalbischof. "Eine gewisse heilige Unvernünftigkeit gehört zu solchen Projekten immer dazu, aber gerade sie machen die Welt reicher. Es ist großartig, dass Kirche und Orgel wieder in altem neuem Glanz erstrahlen, uns zur Freude und Gott zur Ehre", sagt der Regionalbischof und ergänzt: "Die Orgel ist immer auch eine Brücke zum Himmel - und vom Himmel zu uns."